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"Vielerlei brauche ich für ein erfülltes Leben: Freunde mit denen ich Glück und Unglück teilen kann, leidenschaftliche Liebe, geistige Ansprache und den Luxus der Einsamkeit", schrieb Anne Ranasinghe in einem ihrer Essays. Die 2016 verstorbene jüdisch-sri-lankische Schriftstellerin gehörte zu den bedeutendsten Lyrikerinnen der Gegenwart. Ihr Gedanke bringt auf den Punkt was für viele Menschen wichtig ist: Freunde, mit denen ich Glück und Unglück teilen kann. Liebe, die einen davor bewahrt sich in Zeiten der Bedrängnis von defizitären Affekten und Gefühlen gefangen nehmen zu lassen. Geistige Ansprache, von Menschen, die über sich und die zeitlich forcierten Schicksalsschläge hinausblickend, Horizonte ewiggültiger, geistiger Wahrheiten berühren -, die uns aufrichten wo wir mutlos werden wollen. Schließlich auch die Einsamkeit, die für viele Menschen schwer zu ertragen ist, aber dennoch eine Chance in sich trägt und von der Lyrikerin sogar als Luxus bezeichnet wird.

 

In einer Zeit massenhafter pathologischer Vereinsamung, scheint der Lob der Dichterin auf die Einsamkeit befremdlich. Stattliche Gesundheitsämter warnen vor ihr als die größte Volkskrankheit. Die moderne Psychologie sagt uns aber, dass es neben den pathologischen Leiden am Alleinsein eine entgegengesetzte, positive Dimension der Einsamkeit gibt. Sie sieht "...die Einsamkeit als eine schöpferische Erfahrung, wenn sie natürlich aus dem Individuum wächst. Die Menschen, die Bedeutendes in Dichtung, Musik, Kunst und Wissenschaft gleistet haben, sind oft einsam gewesen. Sie verwirklichten schöpferische Formen aus ihrem eigenen Innersten heraus. So überraschend es scheinen mag, nur wenn der Mensch allein ist, kann er in der Einsamkeit sich selbst verwirklichen und Verbindungen und Gespür für die fundamentale Beziehung mit anderen entwickeln. Diese Einsamkeit macht den Menschen eher größer, lässt eher seine Wahrnehmungsfähigkeit und seine Menschlichkeit wachsen, als dass sie ihn von anderen trennt oder Brüche und Spaltungen des Ichs hervorruft. Allgemein gilt Einsamkeit als zerstörerisch, und die gesellschaftliche Vorstellung will den einsamen Menschen aus seiner Lage retten. Diese Vorstellung hat ihren Grund oft in der Unfähigkeit, Leiden hinzunehmen und ertragen zu können. In der geistigen und schöpferischen Erfahrung gibt es jedoch oft keinen anderen Weg zu weiteren Entwicklung als den Weg der Einsamkeit" (Clark Moustakas, Einsamkeit).

 

Unsere Dichterin bringt in ihrem Vers zum Ausdruck, dass wahre Freundschaft, Liebe, das Geistige und die Einsamkeit zusammenhängen und essentiell unser Menschsein ausmachen. Was die Einsamkeit anbelangt, waren und sind sich die geistigen Lehrer aller Religionen einig, dass sie der Türöffner ist für grundlegende Erfahrungen über sich selbst, über das Geheimnis der Schöpfung und in Verbindung mit Stille, über Gott. Glaube und Gebet finden sich demgegenüber in einer Welt zunehmender Entfremdungen und Beziehungslosigkeiten wieder. Familien befinden sich existentiell in einem Umwelt höchster Ansprüche und unzähliger Vereinnahmungen. Wo bestehen Räume für bewusste Selbsterfahrung, kennenlernen geistiger Wirklichkeiten und Gotteserfahrung? Wie kommt der Mensch überhaupt wieder zu sich selbst? Alles vibriert vor Aktivität und Unruhe. Doch die wesentlichen Wahrheiten in ihrem Wesen zu fassen, stellt sich nur in einer kontemplativen Haltung - zu der Einsamkeit und Stille gehören - ein.

 

Kontemplatives Schweigen und die Erfahrung der Stille ist Voraussetzung für die Erfahrung eines erfüllten und bewegten Lebens; aus diesem Grunde bemühen sich die Initiatoren der Eremitage St. Bernhard um die Zeugnishaftigkeit eines Ortes, bei welchem diese Erfahrung vor dem Hintergrund eremitischen Lebens möglich ist. 

 

 

 

 

 

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